SPD lehnt Ortsvorstellermodell ab

Der Rat der Stadt Bad Salzuflen wird in seiner Sitzung am 21. Juni 2023 vermutlich einen für Bad Salzuflen historischen Beschluss fassen und das Ende der Ortsausschüsse für seine Ortsteile beschließen. Wie schon bei der vergangenen Sitzung, wird sich die SPD auch jetzt für die Beibehaltung von Ortsausschüssen und gegen neue Ortsvorsteher aussprechen.
Dafür hat sie gute Gründe:

  1. Ortsvorsteher sind überflüssig. Es ist eine gute Sache, jemanden vor Ort zu haben, der den Menschen im Ortsteil zuhört. Jemanden, der gewählt wurde, sich für diesen Ortsteil einzusetzen. Der bei der Verwaltung nachhakt, Missstände aufzeigt und Ideen einbringt. Genau solche Personen sind in Bad Salzuflen aber bereits gewählt worden. Bei der Kommunalwahl im Jahr 2020 haben die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt 61 Menschen bestimmt, Ihre Anliegen zu vertreten. 24 davon wurden sogar direkt für ihren Wahlkreis vor Ort gewählt, und noch mehr, die genauso vor Ort angetreten sind. Für ihr Quartier, ihren Orts- oder Stadtteil. Sie sind es, die das Bindeglied zum Rathaus sind, nicht irgendwelche „Ortsvorsteher“.
    Aus Sicht der SPD ist die Aufgabe von Ortsvorstehern also schon besetzt, ganz originär durch jedes Ratsmitglied. Es braucht hier keine doppelte Struktur mit Personen, die entweder nicht einmal von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt, sondern nur vom Rat auf Vorschlag einer Partei „ernannt“ wurden, oder ohnehin gewählt wurden und somit genauso in der Pflicht sind wie bisher, dafür aber nun über 3.000 Euro mehr im Jahr bekommen.
    Und welches Ratsmitglied sich in Zukunft bei einer Frage aus seinem Dorf zurückzieht und an den Ortsvorsteher verweist, der verkennt, warum ihm oder ihr seitens der Bürgerschaft das Vertrauen geschenkt wurde.
    Was aber in Zukunft in jedem Fall fehlt, ist ein vernünftiger Weg, über Themen der Ortsteile in der Politik zu sprechen.

 

  1. Die Ortsausschüsse bleiben das beste Mittel, um die Interessen in den Ortsteilen politisch zu diskutieren, weil hier eben der jeweilige Ort im Mittelpunkt steht. In Fachausschüssen gibt es häufig schlicht wenige, die sich mit den lokalen Begebenheiten auskennen. Die für einen Ortsteil vielleicht wichtigen Punkte werden hier in der Tendenz als Nebensächlichkeiten durchgewunken. Was passiert aber mit den vielen Themen, die bislang unter „Verschiedenes“ oder „Anfragen“ in den Ortsausschüssen besprochen wurden? Es ist unrealistisch, dass kleinste Verkehrssituationen, defekte Spielgeräte, örtliche Müllablageplätze, unterbliebene Straßenreinigung, Friedhofspflege, einzelne Standorte von Bänken, Beeten, Bäumen und was es nicht alles an Themen gibt, von nun an in den normalen Ausschüssen angegangen werden. Und unsere Vermutung ist ganz stark, dass sich eben nicht direkt an die Ortsvorsteher oder das Rathaus gewandt wird, sondern dass diese Fragen bei der Reform schlicht hintenüberfallen. Die Alltagsfragen in den Ortsteilen werden oftmals auf der Strecke bleiben.
    Selbstverständlich haben auch die Ortsausschüsse ihre Probleme gehabt. Häufig gab es kaum Gäste aus der Bürgerschaft. Ein Problem, dem sich allerdings auch die Fachausschüsse stellen müssen, bei denen die Reihen fast immer leer bleiben. Dorfwerkstätten können ein Ort sein, um die Menschen einzubinden. Sie sind aber kein Ersatz für Ausschüsse. Wenn bei 3.000 Einwohnern 20, die vielleicht auch noch aus demselben Lager kommen, ihre Ideen sammeln oder etwas bewerten, dann ist das kaum ein Aushängeschild für die Meinung im Ortsteil. Es kann zwar eine beratende Stütze sein, für eine einheitliche Stimme aus einem Ortsteil braucht es aber eine legitime Vertretung. Diese kann nur ein Gremium sein, welches das Ergebnis der Wahlen aller Bürgerinnen und Bürger vor Ort wiederspiegelt. Geradezu absurd wirkt es da, mit einem Ortsvorsteher eine einzige Person zu benennen, die – wie gesagt – nicht einmal wirklich durch die Bevölkerung vor Ort gewählt ist, für die Interessen und Meinungen eines Ortsteils stehen soll. Nicht umsonst heißt es in der einschlägigen Kommentierung zur Gemeindeordnung: „Demokratieverfassungsrechtlich ist die Vorschrift misslungen“[1].

 

  1. Auch sind die Ortsvorsteher die teurere „Alternative“. Die Ortsvorsteher kosten die Stadt nach dem Entwurf fast 30.000 Euro im Jahr. Sollten perspektivisch die Stadtquartiere hinzukommen, wären es rund 40.000. Ein Hauptargument der Verwaltung für die Abschaffung der Ortsausschüsse waren stets die Kosten. Die Vorsitzenden der Ortsausschüsse haben in der Vergangenheit keine zusätzliche Aufwandsentschädigung erhalten, so war es politischer Konsens. Den Ortsvorstehern kommt in der Öffentlichkeit nun der gleiche Stand wie den ehemaligen Ortsausschussvorsitzenden zu, nur dass sie keinen Ausschuss mehr führen müssen, dafür aber Geld bekommen. Dies ist aus Sicht der SPD nicht richtig. Wer die Kosten des bisherigen Systems kritisiert, kann nicht an anderer Stelle mehr Geld für weniger Beteiligung ausgeben. Ausgegeben wurde im gesamten Prozess ohnehin genug, etwa für Rechtsgutachten mit dem Ziel, die Ortsausschüsse klein zu halten, die letztlich nur die Rechtsauffassung der Opposition bestätigten.
    Bei alledem ist es aus Sicht der SPD schade, dass die Verwaltung die Politik während des gesamten Prozesses nicht objektiv und teilweise sogar falsch informiert hat, als wolle man sich so schnell wie möglich der lokalen Mitsprachegremien entledigen.
    Erst letzte Woche berichtete die LZ darüber, dass laut Stadt die Ortsausschussvorsitzenden – würde man an der bisherigen Struktur festhalten – 420 Euro Aufwandentschädigung im Monat erhalten müssten. Hier liegen gleich zwei Fehler vor: Einerseits ergab die Recherche der SPD-Fraktion, dass nicht mehr als früher getagt wurde. Seitdem sich die Verwaltung im letzten Jahr an die Vorgaben des Ministeriums hält, fanden genauso viele Sitzungen statt wie in den letzten 20 Jahren. Es mag sich bei dem einen oder der anderen nach Corona anders anfühlen, aber kein einziger Ortsausschuss hat etwa einen neuen „Spitzenwert“ erreicht. In den meisten Sitzungen geht es ja auch gar nicht um förmliche Verfahren. Und da, wo etwas für den Ort Wichtiges, wie der Masterplanprozess in Schötmar, besprochen wird, da ist eine gute Information in die Bevölkerung hinein auch geboten! Andererseits ist es alleine eine politische Entscheidung, ob ein Ortsausschussvorsitz eine Aufwandsentschädigung erhält. Hier gibt es keinen Automatismus, wie ihn die Verwaltung suggeriert und damit auch keine zwingenden Kosten.
    Das gleiche gilt für die Ortsvorsteher: Laut Verwaltung muss eine Aufwandsentschädigung gezahlt werden – so die Rechtslage. Seltsam ist hier nur, dass dies nicht dem Wortlaut des Gesetzes entspricht. Dies sehen auch fast alle Kommentierungen zur Gemeindeordnung so[2].
    Oder auch, wenn darauf verwiesen wird, dass Ortsausschüsse nun professionelle Protokolle bräuchten und dies in Ansatz gebracht wird, während das Kommunalrecht eigentlich ein reines Beschlussprotokoll genügen lässt. Verfasst durch ein einfaches Ratsmitglied. Selbst bei Ratssitzungen!
    Wenn Verwaltungsvorlagen solche tendenziösen Meinungen und „Informationen“ als Fakten dargestellten, kann keine ehrliche Debatte stattfinden.

Das Verschwinden der Ortsausschüsse ist traurig für die Ortsteile, hoffentlich aber kein Abgesang. Die SPD-Fraktion hofft, dass sie ab 2025 eine neue Chance kriegen.

[1] Dietlein/Heusch, Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen, 24. Edition, § 39 Rn. 23.

[2] Articus/Schneider, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, 5. Auflage, § 39, S. 203; Dietlein/Heusch, Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen, 24. Edition, § 39 Rn. 26; Kleerbaum/Palmen, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, 3. Auflage (2018), § 39 IV 3; Rehn/Cronauge/Lennep/Knirsch, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, Stand: Februar 2023, § 39, S. 13.